Hans-Martin Gauger
'Grande nation' – Über einen groben
(sprachlichen) Unfug
Auf der berühmten ersten Seite seiner berühmten Erinnerungen sagt Charles de Gaulle, er habe von früh an „eine bestimmte Idée von Frankreich“ in sich getragen – „une certaine idée de la France“. Und zu dieser habe untrennbar das Element „Größe“ gehört – „la grandeur“. Und damit meinte er sehr vorwiegend, es ist evident, etwas Moralisches. Dies klang wieder durch, an pathetischer Stelle, als er seinerzeit in Algier Algerien freigab, das ja mehr war, im Herzen der Franzosen, das weiß man bei uns nicht immer, als eine bloße „Kolonie“, es war wirklich – subjektiv – für die Franzosen Teil ihres Landes selbst, etwa wie Schlesien für uns. Da sagte er mit wunderbarer Kadenz eine seiner Reden beschließend, es werde ihm nun, angesichts dieses Vorgangs, wieder deutlich: „combien c'est grand, combien c'est beau, combien c'est généreux – la France!“ Wenn wir Deutsche von Frankreich als der „grande nation“ reden, dann denken wir wohl alle, jedenfalls die Älteren, an den General, der seinerseits in einer Rede an die deutsche Jugend, so hieß sie, im Schloßhof von Ludwigsburg, das war 1962, das deutsche Volk, zu unserer erheblichen Verblüffung, „groß“ nannte: „Ich beglückwünsche Sie“, sagte er auf deutsch und charakteristisch, wie er alles sagte, „ich beglückwünsche Sie, junge Deutsche zu sein, das heißt Kinder eines großen Volkes“. Und: „Jawohl, eines großen Volkes“, stieß er entschlossen nach, und dann erst verstanden wir eigentlich, stieß also rhetorisch nach mit jener erweiterten und steigernden Bejahungspartikel „jawohl“ – „duplex affirmatio“ –, die den fremdsprachigen Ausländern an unserer Sprache so gefällt; zumindest fällt sie ihnen auf... Also der General – er war ja, schon zu Lebzeiten und als er noch regierte, für die Franzosen eine historisch deutlich entrückte, bereits eigentlich der Vergangenheit zugehörende Figur. Und uns Deutschen kam er eher noch mehr so vor, und es gab ihm gegenüber hierzulande nicht nur Bewunderung, sondern auch viel Mißtrauen, auch gerade bei den Politikern, und bei den Sozialdemokraten gewiß noch mehr als bei der Union – „Politik mit dem Kürassierstiefel“, sagte einmal sehr unpassend Herbert Wehner. Und so kam es, daß dann unter Erhard und einem Außenminister, der auch Gerhard Schröder hieß (aber „Gerd“ hätte da schwerlich einer gesagt), de Gaulles Angebot zu engster Zusammenarbeit durch eine amerikadevote und jedenfalls verwässernde „Präambel“ im Grunde zurückgewiesen wurde. „Die Ehe ist nicht vollzogen worden“, „Le mariage n'a pas été consommé“, soll de Gaulle nachher, bei der Rückreise, zu seiner Begleitung gesagt haben: eine metaphorische Wortwahl, die uns Deutschen wieder sehr französisch erscheint. In seiner letzten Rede vor dem Bundestag, einer langen und, ich denke, bedeutenden rückblickenden Rede, hat Helmut Schmidt, das war September 84, diese Zurückweisung als entscheidenden Fehler (und zwar aller Parteien) bezeichnet. Und kein geringerer als Golo Mann hat 1989 bei der feierlichen Eröffnung des Frankreich-Zentrums unserer Universität in seinem bewegenden Vortrag über die große Figur de Gaulle, gerade und sehr zustimmend auf diese Rede Helmut Schmidts Bezug genommen, und er wollte dabei den Namen des damals verantwortlichen Außenmini-sters, eines Außenministers mit ungebrochener Karriere, nicht einmal mehr nennen. Ich habe auf de Gaulle so insistiert, weil auch er, gerade auch sogar er, der unser Bild von Frankreich (das der Älteren, versteht sich) noch immer stark bestimmt, den Ausdruck „grande nation“, der mich hier mit Irritation interessiert und von dem ich jetzt reden will, auch de Gaulle hat ihn, wenn es um sein Land und sein Volk ging, nahezu nie verwendet. Und auch keiner seiner Nachfolger, Pompidou, Giscard, Mitterrand, Chirac, hat es getan. Trotz der festen Assoziation „Größe“, die in de Gaulles Bild von Frankreich war, war dieser Ausdruck „la grande nation“, also mit dem bestimmten Artikel, ihm fremd.
Was ist der Tatbestand? Machen wir es schulmäßig professoral! Also erstens: wenn immer ein Deutscher von Frankreich redet, glaubt er sich berechtigt, auch „die grande nation“ sagen zu dürfen, und er glaubt damit, einem Bildungswissen zu genügen oder an ein solches zu appellieren – „grande nation“, mit oder ohne große Buchstaben (besser natürlich mit großen!), gilt als kultiviertes Synonym für Frankreich. Wer „Frankreich“ sagt, darf auch „die grande nation“ sagen. Zweitens: in Frankreich ist diese Redeweise unbekannt – nicht nur gebraucht sie dort niemand, sie ist auch niemandem, außer solchen, die mit Deutschen Kontakt haben, bekannt. Drittens: irgendwoher muß die Wendung kommen – woher also kommt sie? Viertens schließlich auch: wie konnte sich diese Wendung, unter diesen bemerkenswerten Umständen, hierzulande in zäher, unausrottbarer Lebendigkeit bis heute erhalten? Ich will jedoch gleich hinzusetzen, daß sie sich nicht nur in Deutschland, sondern im ganzen deutschen Sprachraum findet – „Soweit die deutsche Zunge klingt...“, wie es hieß in einem vormals überaus bekannten Gedicht... Die „grande nation“ findet sich also auch in der Schweiz und in Österreich. Auch sogar – aber dies ist nun nicht mehr deutsche Zunge – in England wurde sie schon sporadisch geortet – „L'Angleterre“, wie der unvergessene frühere Botschafter François Scheer hier einmal in einem schönen Vortrag sagte (es gehört aber nicht hierher), „L'Angleterre, c'est-à-dire notre ennemi héréditaire“. Und weil ich schon beim Zitieren bin und gerade von Österreich die Rede war, möchte ich auch die knappe Definition weitergeben, die kürzlich der Deutschlandkorrespondent von Le Monde, Leparmentier, außerhalb seines Blatts gegeben hat (ob sie von ihm stammt, weiß ich nicht): „Un Autrichien c'est un Allemand qui n'a pas reconnu ses fautes“. Daß die inkriminierte Redeweise bei uns, vor allem wenn geschrieben wird, omnipräsent ist, bedarf kaum einer Darlegung. Erst vor wenigen Tagen gab es in der Frankfurter Allgemeinen einen ziemlich, vielleicht auch unziemlich scharfen Artikel von Andreas Rossmann – da wurde die Wendung gar einem ungenannten, also wohl inexistenten, „französischen Kulturbeamten“ zugesprochen. Auch ein so informierter Journalist wie Eckart Lohse, wieder Frankfurter Allgemeine, hat ihn erst kürzlich in einem Leitartikel gebraucht. Und erst am 11. November war, um in der Nähe zu bleiben, in einem Freiburger Blatt ein schöner Artikel des verdienten Stuttgarter Kochs Vincent Klink, den ich leider nur vom Fernsehen kenne, der sensationell seltene Fall übrigens eines Schwaben mit Sinn für Sinnlichkeit (er stammt denn auch nicht aus Stuttgart, sondern aus dem katholischen Schwäbisch-Gmünd); er berichtete über seinen Besuch bei dem auch von ihm kollegial hochverehrten Paul Bocuse in oder bei Lyon (ich weiß es nicht genau) – da wartete ich förmlich auf die Wendung, und dann kam sie auch... Es ist richtig, daß Außenminister Fischer sie in dem schönen politischen, also, akademisch gesehen, nicht sehr inhaltsreichen Manuskript, das er kürzlich hierher mitbrachte, nicht drin hatte. Aber vor wenigen Jahren erst schrieb man sie gar dem Bundespräsidenten, damals Roman Herzog, in den Text hinein, den er bei feierlichstem Anlaß, beim Dîner im Élysée-Palast, vorzutragen hatte; er beendete dort seine Ansprache so: „Ich erhebe mein Glas, Herr Staatspräsident, auf Ihr persönliches Wohl und auf das Wohl der „grande nation!“. Das erheiternd Fatale ist oder war hier ja, daß der Bundespräsident, im Fall Roman Herzogs ja nun wirklich ein hochgebildeter Mann, etwas Freundliches sagen wollte – er glaubte, hier sprachlich Frankreich und seinem Präsidenten entgegenzugehen...
Natürlich wirkt sich, was die Häufigkeit der Wendung angeht, besonders bei den Journalisten, der stilistisch gegebene oder als solcher gefühlte Zwang zur Abwechslung aus. Man kann ja nicht einfach immer, so das an sich törichte Gefühl, „Frankreich“ sagen, und also wechselt man ab, so wie man statt „Österreich“ gerne immer mal wieder „die Alpenrepublik“ sagt oder statt „die Schweizer“ „die Eidgenossen“ (was letztere übrigens auch ziemlich nervt, denn es klingt ihnen gönnerhaft –sie selbst nennen sich kaum je so). In Frankreich also, zweiter Punkt, ist die Wendung unbekannt. Das Ärgerliche ist aber, daß wir, indem wir sie gerade in französischer Sprache verwenden, dadurch suggerieren: so verstehen sich die Franzosen selbst, so sagen sie selbst zu sich selbst! Mühelos pflanzt sie sich so immer wieder fort. Wer sie zum ersten Mal hört, glaubt, etwas Wichtiges gelernt zu haben. Der vormalige, sympathische und kenntnisreiche attaché culturel, Monsieur Hilton, sagte, als ich ihn fragte, er habe die Wendung überhaupt erst in Deutschland gehört, „ce n'est qu'en Allemagne que j'ai appris ça!“ Und auch der genannte François Scheer stimmte im Gespräch lebhaft zu und diagnostizierte im Blick auf unsere Wendung nicht ohne Grund, will mir scheinen, nicht nur leicht gönnerhafte Ironie – die kann jedenfalls dabei sein –, sondern auch etwas wie Neid, „un peu d'envie“, sagte er. Und in der Tat, es kommt ja oft genug zur Sprache: wir beneiden die Franzosen wegen ihres ziemlich ungebrochenen Nationalgefühls, der sozusagen fröhlichen Selbstverständlichkeit, mit der die republikanische, die nationale Selbstdarstellung, etwa bei offiziellen Anlässen, in Frankreich erfolgt. Wenn ich übrigens François Scheer und Stanley Hilton hier lobend erwähne, ist dies keine Kritik an den gegenwärtigen Inhabern der entsprechenden Ämter.
Ich nenne für die Abwesenheit der „grande nation“ im Bewußtsein der Franzosen einen weiteren starken und sozusagen sprachwissenschaftlich philologischen Beleg. Es gibt nämlich ein enormes Wörterbuch, das bei uns, trotz des – ebenfalls enormen, aber anders ausgerichteten – „Grimm“ keine Entsprechung hat. Es ist der sogenannte „Grand Robert“, das von Paul Robert, übrigens einem sprachwissenschaftlichen Laien, initiierte Wörterbuch der Sprache des zwanzigsten Jahrhunderts. Nun, im „Grand Robert“ findet sich, weder unter „grand“ noch unter „nation“, ein Eintrag „grande nation“, und dies ist nun wirklich durchschlagend, denn im „Grand Robert“ – es gibt auch den „Petit Robert“ und sogar den „Micro-Robert“ – denn im „Grand Robert“ steht einfach alles.
In einer der früher jedem Franzosen und jeder Französin vertrauten Klassiker-Schulausgaben des Hauses Larousse, fand ich nun aber tatsächlich, per Zufall, die „grande nation“ und zwar in der Novelle „Colomba“ von Prosper Mérimée (es muß ja nicht immer „Carmen“ sein!). Der Ausdruck steht da tatsächlich im Text, bei Mérimée; da versucht eine der Figuren einer anderen, einem jungen Korsen, der korsich, also italienisch, redet, klarzumachen, daß dies nun wirklich nicht mehr angehe: „nous sommes maintenant“, sagt er, „une grande nation“. Dies wird nun aber durch den Herausgeber erläutert, was zeigt, daß nicht vorausgesetzt wird, die Schüler könnten es wissen: „C'est ainsi qu'on appelait la France au 19esiècle...“. Dies ist nun zwar auch nicht richtig, aber es zeigt, daß die „grande nation“ als sprachlich feste Wendung tatsächlich gab. Und so führt mich dies zu meinem dritten Punkt. Woher kommt der Ausdruck und was ist mit ihm geschehen?
Hier half mir nun ein französischer Historiker weiter, Jacques Godechot mit seinem Buch von 1983 „La Grande Nation – L'expansion révolutionnaire de la France dans le monde de 1789 à 1799“ – die Ausbreitung, also, des revolutionären Gedankens draußen, in der Welt zwischen 1789 und 1799; dann half mir auch ein Schüler von mir weiter, Heiko Glückher, der sich, auf meinen Vorschlag hin, des Themas in einer sogenannten Zulassungsarbeit erfolgreich annahm – nun mit Internet-Fahndung und zu demselben Ergebnis kommend wie ich (Schüler tun dies ja nicht immer; übrigens konnte er mich im Einzelnen auch interessant korrigieren). Das Ergebnis ist nun, zusammengefaßt, dies.
Der Ausdruck kam von außen, er wurde von außen, von Anhängern und Bewunderern der Revolution, an Frankreich herangetragen. Und er meinte zunächst tatsächlich etwas wie die moralische Größe des Landes, in dem die Revolution geschehen war. Ich brauche ja hier nicht zu sagen, daß die Revolution, ganz besonders in Deutschland, als eine gewaltige Menschheitshoffnung aufgenommen wurde. So findet sich „Große Nation“ auf Frankreich angewandt bei unserem guten Christoph Martin Wieland. Dieser schreibt schon 1790, ein Jahr also danach: „... aber daß eine große Nation – hier also noch, was etwas ganz anderes ist, mit dem unbestimmten Artikel –, die sich in die Notwendigkeit versetzt sieht, das Recht des Stärkeren gegen ihre Unterdrücker geltend zu machen, ihre Stärke mit solcher Weisheit gebrauche..., dies hat die Welt noch nie gesehen, und der Ruhm, ein solches Beispiel zu geben, scheint der französischen Nation aufbehalten zu sein“. Die Franzosen damals, die Exponenten der Revolution, haben den Ausdruck sehr zustimmend aufgenommen, fanden sich in ihm wieder. Wir stoßen auf ihn auch nicht selten im Umkreis des jungen Bonaparte in den letzten neunziger Jahren des 18. Jahrhunderts. Da hatte er eine schmale Fortüne. Er wird danach uminterpretiert, anders verstanden, und zwar in dem Sinne, wie wir ihn soeben bei Mérimée fanden. Frankreich – als eine große und nun einheitliche Nation. So gehört „grande nation“ schließlich in den spezifisch republikanischen Kontext des Kampfs, von Paris aus, gegen die anderen Sprachen auf französischem Boden und gegen die Dialekte – man faßt dann beides zusammen unter dem Wort, einer strengen Einordnung, unter „patois“ – ein Wort, für das wir deutsch gar keine Entsprechung haben, es ist ja ein herabziehendes Wort für den Dialekt, und „patoiser“, „Dialekt reden“, gibt es auch – es gibt kaum Schlimmeres für das Ohr des gebildeten Franzosen, dessen unbedingtes Ideal es ist, so zu sprechen, daß seine Herkunft unerkannt bleibt. „Patois“ meinte, für die Anführer der Revolution und darüber hinaus für die Republikaner des 19. Jahrhunderts, nicht nur französische Dialekte wie etwa das Burgundische, le bourguignon, sondern auch das Bretonische oder das Baskische oder das Elsässische. Die „grande nation“, als feste Wendung, lungert sozusagen dann im 19. Jahrhundert noch ein wenig herum – es finden sich, etwa bei Victor Hugo, also nicht bei irgendjemandem, durchaus einzelne Belege, dann aber – dies ist nun wieder recht merkwürdig – verschwindet die Wendung, diese Selbst-kennzeichnung, aus dem kollektiven Bewußtsein, die Franzosen vergessen sie ziemlich schnell, vergessen sie nach 1870 ganz und gar – nach 1870, jenem so verhängnisvollen Jahr für unsere Beziehungen, denn bis dahin war das Bild Deutschlands in Frankreich außerordentlich positiv; es war das verklärte Bild von Germaine de Staëls „De l'Allemagne“. von 1810 – das stürzte dann, über Nacht, und für immer.
Somit: die Bezeichung kam bewundernd von außen, wurde im Land zustimmend aufgenommen, wurde dann uminterpretiert im Sinne der „République une et indivisible“ und verschwand bald und definitiv und quasi restlos aus dem Bewußtsein. Aber draußen, in Deutschland besonders, angefeuert durch den Nationalismus der Napoleonzeit, der so-genannten „Freiheitskriege“, denn es ging ja gar nicht um innere, um zivile Freiheit, sondern um Unabhängigkeit, um das Recht gewissermaßen, deutsch sein zu dürfen – in Deutschland also lebte sie spezifisch auf, lebte ungebrochen weiter und nun ziemlich bald sehr eindeutig negativ.
Und hier, im deutschen Sprachraum – dies war mein vierter Punkt – hielt sich die Wendung ungebrochen (es ist schon ein wenig erstaunlich) bis heute – durch latenten Neid, durch Bildungsprätention, vor allem aber durch Unkenntnis und ein wenig, denke ich, auch deshalb, weil die Franzosen sich kaum oder gar nicht gegen sie wehren. Und heute verwenden wir sie ambivalent, bald positiv, nett sein wollend (was schon ein wenig herablassend ist), bald offen herablassend ironisch: „Die ‚grande nation’ hat einmal wieder...“ Daß die Franzosen, soweit sie mit ihr in Berührung kommen, sich nicht gegen sie wehren, ist mir auch etwas rätselhaft. Ich will aber konzedieren, daß es Wichtigeres gibt für sie, heute, als die beharrliche deutsche Rede von der „grande nation“. Ein mir unbekannter Franzose aus dem schönen Pau schrieb vor einigen Jahren einen Leserbrief dazu in der Frankfurter Allgemeinen, der aber fruchtlos blieb, wie dies bei Leserbriefen und übrigens auch den meisten Leitartikeln zu sein pflegt. „Wir Franzosen“, meinte er, „mögen zwar viele Fehler haben, aber eines haben wir schon“ – und dies sagte er nun, mit Recht, französisch – „nous avons tout de même le sens du ridicule“.
Hier kommt ein weiteres Element herein, das uns definitiv dazu veranlassen sollte, den Ausdruck aufzugeben, ihn ersatzlos aus unserem Reden und Schreiben zu streichen.
Er hat, so gesehen, etwas Verletzendes und gar Beleidigendes. Man sollte den Leuten, dies gilt auch unter Völkern, nicht Selbsteinschätzungen unterstellen, die erstens abwegig sind und die sie zweitens gar nicht haben. Ich denke nicht, daß ich hier bloß philologisch pingelig bin (Philologen müssen pingelig sein). Immerhin: es geht, obwohl sie französisch ist, um eine wichtige idiomatisch feste Wendung unserer deutschen Sprache. Es geht um Sprachkritik und die Destrukion eines mehr als ärgerlichen Clichés! Es ist heute, „à l'heure qu'il est“, wie die Franzosen in solchen Fällen sagen, dringend geboten den groben sprachlichen Unfug mit der „grande nation“ einzustellen und ihn zu denunzieren, wo immer er sich zeigt. Wer Frankreich meint, sollte „Frankreich“ sagen – un point, c'est tout. Und dem, der dies alles schon wußte und hier von eingerannten offenen Türen redet, dem antworte ich französisch: Il y a des portes ouvertes qui ne sont pas encore suffisamment enfoncées!
Aus: Festrede zur Ernennung des Rektors der Albert-
Ludwigs-Universität, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c.
Wolfgang Jäger, zum Chevalier dans l’Ordre des
Palmes académiques am 16.Februar 2001.